#026 - Zuschauerauslastung der deutschen Profiligen – Die Entwicklung seit der Corona-Pandemie

 

 Am 28.05.2023 endete die Saison 22/23, abgesehen von der Relegation, so spannend wie lange nicht, und das in allen drei Ligen des Profifußballs. Dramaturgie, Hochspannung und Zittern bis zum bitteren oder erfolgreichen Ende, auf dem Platz und auf den Rängen.

Fast vergessen scheint die Zeit, vor etwas mehr als 3 Jahren, als der VfB Stuttgart und Arminia Bielefeld das letzte Spiel bei voller Auslastung spielen konnten und die Corona-Pandemie danach alles auf den Kopf gestellt hat. Leere Stadien, ein kurzer Hoffnungsschimmer in der Saison 20/21, doch erst in der Saison 21/22 durften die Fans nach und nach in die Stadien zurückkehren, alles in Abhängigkeit von den regionalen und lokalen Bestimmungen der Behörden.

 

Diese Jahre führten schlussendlich zu enormen wirtschaftlichen Einbußen bei allen Vereinen. Gibt es heute noch spürbare Effekte?

 

Sowohl im Oktober 2021 als auch im April 2022 haben wir uns bei HORSTMANN Consulting in einer Studie mit unserem Partner FanQ zum Stadionbesuch sowie in einem Blog-Beitrag zur Stadionauslastung mit den Auswirkungen der Pandemie auf die Zuschauerauslastung in den drei Profiligen eingehend befasst.  Wie verhielt sich die Auslastung in 21/22 zur Vor-Corona-Zeit 18/19? Hat sich im deutschen Profifußball ein generelles Auslastungs-Problem seit der Zuschauerrückkehr aufgetan? 

Die Ergebnisse der Studie finden sich hier:


Die Probleme der Vereine, mögliche Teil-Kapazitäten zu Beginn der Saison nicht voll auslasten zu können waren Indikatoren, dass die Rückkehr der Fans kein Selbstläufer werden würde. Und auch die Hochrechnungen ließen vermuten, dass die Ligen vor einem Auslastungsproblem stehen.

Doch konnten sich die Vereine von den, womöglich Corona-bedingten, Problemen erholen? Oder hat die Pandemie dem Thema Stadionbesuch nachhaltig geschadet? Die Umfrage zum Interesse an Stadionbesuchen von FanQ ließ zumindest durchblicken, dass für bis zu 30% der Stadionbesucher das Interesse auch abgenommen hat. 

Wie hat sich die Auslastung in den drei Profiligen also in der Saison 22/23 entwickelt? Wie verlief es im Vergleich bei den anderen Sportarten? Und was bedeutet das für das zukünftige Ticketing?

 


Die Entwicklung im Profifußball

Quelle: Kicker, Stadionwelt, Vereinsdaten, Transfermarkt
Quelle: Kicker, Stadionwelt, Vereinsdaten, Transfermarkt

Entgegen den potenziellen Risken des Re-Starts nach der Pandemie ist im deutschen Profi-Fußball über alle 3 Ligen in der Summe betrachtet, sogar ein Aufwärtstrend zu erkennen.

 

Die drei Profiligen - Vergleich und Veränderungen

Trotz deutlich niedrigerer Kapazitäten in 22/23 kommt die Bundesliga auf eine nur leicht geringere durchschnittliche Zuschauerzahl wie vor der Pandemie und steigert aber die Auslastung von 87% auf 94%. Zwar waren es insgesamt etwa 400.000 weniger Fans (3%), die ihren Weg ins Stadion fanden, doch das ist insbesondere durch die geringere Gesamtkapazität zu erklären. Die Stadien wurden im Schnitt kleiner, die Auslastung jedoch deutlich besser (Fortuna Düsseldorf, 1. FC Nürnberg oder Hannover 96 in 18/19 vs. Union Berlin und VfL Bochum in 22/23). Knapp 13 Millionen Zuschauer konnte die Bundesliga verbuchen, lediglich die Premier League hatte etwa 2 Millionen Zuschauer mehr vorzuweisen, was sowohl mit den größeren Stadionkapazitäten als auch der höheren Anzahl an Spielen zu begründen ist.

 

Quelle: Transfermarkt, Kicker
Quelle: Transfermarkt, Kicker

Es zeigt sich eine hohe Bandbreite sowohl bez. der durchschnittlichen Zuschauerzahlen als auch bez. der prozentualen Auslastung pro Spieltag. Die geringste Auslastung von 75% am 9. Spieltag kann als Ausrutscher betitelt werden, da kein weiterer Spieltag unter die 80% gefallen ist. Dieser Spieltag hat auch gleichzeitig die niedrigste Zuschauerzahl. Eine Erklärung liefern Heimspiele der Hertha, von Mainz 05 und von Hoffenheim – jeweils Vereine mit eher niedrigerer durchschnittlicher Auslastung.

Zwar hat Spieltag 24 nicht die höchste Auslastung in den Stadien erreicht, doch durch Heimspiele von einigen kapazitäts- und zuschauerstaken Vereinen, bspw. der 1. FC Köln, Schalke 04 (Derby gegen den BVB) oder Bayern München, wurde mit 47.001 Zuschauern im Schnitt der höchste Spieltags-Besuch erzielt. Die höchste prozentuale Auslastung gab es am 29. Spieltag, mit Spielen von Dortmund, Auswärtsspielen von Schalke und Bayern aber vor allem auch bedingt durch die Rekord-Auswärtsfahrt der Bremer Fans nach Berlin.

Lediglich 4 Vereine schaffen über die Saison 22/23 keine 90% Auslastung – der VfL Wolfsburg (84%), Hertha BSC (72%), Hoffenheim (82%) und Mainz 05 (87%). Im Vergleich zu 18/19 ist die Auslastung bei Wolfsburg (81%), Hertha (66%) und Mainz (79%) teilweise deutlich verbessert, Hoffenheim musste seit der Pandemie herbe Verluste hinnehmen (vorher 94%). Der wohl größte Gewinner nach der Pandemie scheint der SC Freiburg, der durch den Wechsel in das neue Stadion eine deutlich höhere Kapazität verzeichnet und dieses zugleich zu über 98% auslastet – ein Anstieg von 140.000 Zuschauern vs. 18/19. Auch RB Leipzig steigt in der Auslastung von 82% auf 97% - ein Zuwachs von 123.000 Zuschauern. Alle weiteren Vereine bleiben relativ konstant in den Besucherzahlen im Vergleich zu 18/19.

 

In Liga 2 ist ein stetiges Wachstum vorhanden, sowohl bei der Kapazität als logischer Ausgleich zur Entwicklung der BL, als auch bei der Auslastung und den Zuschauerzahlen. Besonders Letzteres verdeutlich den Anstieg am Interesse an der 2. Bundesliga in 22/23, und dass trotz weniger „großer Vereine“ wie Schalke 04 oder Werder Bremen in 21/22 sowie dem 1. FC Köln in 18/19. Mit fast 7 Millionen Zuschauern schafft es die 2. Liga sogar vor die niederländische Eredivisie (Statista) – und steigt im Vergleich zu vor der Pandemie um fast eine Millionen Gesamtzuschauer. 

Auch in der 2. Bundesliga variieren die Anzahl an Spieltags-Besuchern sowie die Auslastung der Stadien recht stark über die Saison gesehen. Lediglich am letzten Spieltag wird eine prozentuale Auslastung von über 90% erreicht, während drei Spieltage unter 70% lagen mit der geringsten Auslastung am 4. Spieltag (65%), bedingt durch eher schwach besuchte Heimspiele von Hannover, Düsseldorf und Nürnberg. Diese Teams haben Stadien mit Kapazitäten auf Erstliga-Niveau und eine eher geringe Auslastung. Vergleiche zu 18/19 sind bei diesen Teams schwierig, da sie in der Saison alle in der Bundesliga gespielt haben. Am 33. Spieltag kamen durchschnittlich 27.609 Fans ins Stadion, Höchstwert für die abgelaufene Saison. 

Teams wie der FC St. Pauli, SV Darmstadt oder auch der Hamburger SV überragten mit fast 100% Auslastung, während, neben den eben genannten Vereinen, Sandhausen und Greuther Fürth Ausreißer nach unten waren. Der 1. FC Magdeburg konnte einen Sprung von 67% auf 86% verzeichnen.

 

Die 3. Liga bleibt weitestgehend konstant und knüpft an ihr Niveau aus der 18/19 Saison an. Hierbei ist hervorzuheben, dass Zahlen der aktuellen Saison von zweiten Mannschaften (BVB und SCF) und dem SC Verl (Spiele konnten nicht im eigenen Stadion stattfinden) beeinflusst sind.  Trotz der Aufstiege von Teams wie Braunschweig, Rostock, Kaiserslautern und Karlsruhe in die 2. BL, konnte durch neue Teams wie Dynamo Dresden oder Rot-Weiß Essen das Niveau gehalten werden. Besonders erstere schaffen es im internationalen Zuschauerranking auf Platz 4 aller Drittligisten – hinter 3 englischen Clubs.

Das Thema der hohen Bandbreite findet sich auch in Liga 3 wieder. Mit 11.664 Fans am letzten Spieltag wird der Liga-Höchstwert zum Saisonfinale erreicht – ein gebührendes Ende für eine spektakuläre Saison. Die höchste prozentuale Auslastung mit 62% gab es am 35. Spieltag, bedingt unter anderem durch das ausverkaufte Haus in München und das Aufstiegsspiel Dynamo Dresden gegen Wehen Wiesbaden. Die geringste Auslastung hatte der 4. Spieltag mit nur 24% und in absoluten Zahlen kamen am 22. Spieltag lediglich 4.751 Zuschauer im Mittel in die Stadien. 

 


Andere Sportarten – Ein ähnlicher Verlauf?

Quelle: Stadionwelt, Websites der Ligen
Quelle: Stadionwelt, Websites der Ligen

Die Handball-Bundesliga, die Deutsche Eishockey Liga und die Basketball Bundesliga verzeichnen auch ein Wachstum der Zuschauerzahlen vs. 18/19. Dabei wurden bei der DEL und der BBL nur die jew. Hauptrunde betrachtet. Absolut und auch relativ am stärksten wächst die BBL gefolgt von der DEL und der HBL, die ihre Zuschauerzahlen insgesamt leicht erhöhen kann, was auch in einer höheren Hallenkapazität in 22/23 vs. 18/19 begründet sein könnte. Letztendlich sind ca. ein Viertel der verfügbaren Plätze in 22/23 nicht verkauft worden, was gerade auch bez. der guten sportlichen Performance des deutschen Handballs eine kurz- und mittelfristige Chance bietet. 

Auch bei der BBL und DEL könnten neben einer wahrscheinlich gesteigerten Ticket-Sales-Performance der Clubs, die aktuell guten Leistungen der Nationalmannschaften ein Grund mit für das höhere Zuschauerinteresse sein.


Fazit & Ausblick

Alle betrachteten Teamsportarten gehen also, trotz der zwischenzeitlichen auch von uns geäußerten Befürchtungen bez. möglicher mittel- oder auch langfristiger negativer Auswirkungen der Pandemie auf Zuschauerzahlen, gestärkt durch ihre Fans aus der Pandemie-Zeit hervor und können sich über gestiegene Zuschauerzahlen und somit auch über eine weiter gestiegene Auslastung der Kapazitäten freuen. Die ursprünglich befürchteten Pandemieängste scheinen sich nicht bewahrheitet zu haben. Es mag noch ein kleines Restrisiko bestehen, dass in 22/23 das „Versäumte“ der Pandemie-Zeit nachgeholt wurde und dieses über die Zeit nachlässt. Diese These vertreten wir aber nicht.

Hervorzuheben ist noch, dass das Preisniveau der angebotenen Tickets seit 18/19 im Mittel auch gestiegen ist, die höheren Zuschauerzahlen basieren also nicht auf einem „günstigeren“ Angebot.

 

Es bleibt zu untersuchen, ob die Pandemie Auswirkungen auf gewisse Fangruppen hatte. Haben Fans, die bereits vor der Pandemie seltener im Stadion waren, wirklich, wie in der FanQ-Umfrage angegeben, das Interesse verloren? Haben ältere Zuschauer weiterhin gesundheitliche Bedenken und hat sich dadurch der Altersschnitt verändert? Konnten neue Zielgruppen erschlossen werden. Hier ist eine effektive Datensammlung und -auswertung für die Clubs definitiv hilfreich und erforderlich.

 

Bei allen Themen bez. Ticketing-Sales (Pricing, Sales-Performance, Daten-Generierung & -Nutzung) stehen wir Ihnen bei Horstmann Consulting sehr gerne zur Verfügung. Sprechen sie uns an!

 

 


Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch immer alle Geschlechter. 


 

05.07.2023

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