#027 - Um-/Neubau von Stadien - Risiko oder auch Chance? Die Auswirkungen auf die Ligazugehörigkeit und den Zuschauerschnitt

 

 

Am 19. Juli 2023 wurde die umgebaute Spielstätte "BBBank Wildpark" vom Karlsruher SC feierlich eröffnet, und zwar mit einem Spiel gegen den FC Liverpool. Nach langjähriger Planung und umfangreichen Baumaßnahmen ist dieses millionenschwere Projekt nun abgeschlossen, und der neue "Fußballtempel" des Vereins empfängt seine Zuschauer. Der KSC ist keineswegs der einzige Verein, der seit Beginn des 21. Jahrhunderts sein Stadion um- oder sogar neu gebaut hat. Im Fall des VfB Stuttgart befindet sich das Projekt in einem fortgeschrittenen Stadium, während bei Preußen Münster die ersten Schritte in die Wege geleitet wurden.

 

 

Wenn man auf die Geschichte des 21. Jahrhunderts zurückblickt, lässt sich eine deutliche Tendenz zur Stadionerweiterung und zum Stadionneubau in Deutschland erkennen. Viele Vereine haben in dieser Zeit diesen Schritt unternommen, sei es aufgrund der Regularien der DFL, großen Turnieren wie der Heim-WM 2006, aus wirtschaftlichen oder sportlichen Gründen oder um neue Maßstäbe zu setzen.

 

Ein Stadionausbau, insbesondere ein Neubau, ist zweifellos mit Risiken behaftet. Auf der finanziellen Seite sind solche Unternehmungen mit erheblichen Beträgen im mehrstelligen Millionenbereich verbunden, abhängig von der Art der Veränderung. Beispiele wie Alemannia Aachen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass solche Projekte nicht immer erfolgreich verlaufen. Wenn der Erfolg ausbleibt oder es zu Misserfolgen kommt, kann ein Millionenstadion rasch zur Belastung werden und erheblichen Schaden anrichten – Risiken, von denen sich Vereine in der Vergangenheit nicht immer erholt haben.

 

Jedoch stellt sich die Frage, welche Auswirkungen Stadionerweiterungen und Neubauprojekte im Durchschnitt auf die sportliche Entwicklung eines Vereins und den Zuschauerschnitt im Stadion haben. Lässt sich eine Korrelation erkennen, und können beide Faktoren mittel- bis langfristig beeinflusst werden? Gibt es womöglich Unterschiede zwischen den Stadiongrößen?

 

Im folgenden Blog-Beitrag beabsichtigen wir, all diese Fragen zu beantworten. Wir werden dies mittels einer Analyse der Projekte zum Um- und Neubau sowie durch eine Übersicht über die mittel- und langfristige Entwicklung der Ligazugehörigkeit und des Zuschauerschnitts der betreffenden Vereine tun.

 

 


Vorgehen der Untersuchung

Die analysierten Fälle umfassen die teilnehmenden Vereine aus den drei Profiligen der Spielzeiten von 2021/22 bis 2023/24. Dabei wurden die Stadien ausgewählt, die seit dem Jahr 2000 um- oder neu gebaut wurden. Das Jahr 2000 wurde als Referenzpunkt gewählt, um das bisherige 21. Jahrhundert zu berücksichtigen und die Umbauphase für die FIFA-Weltmeisterschaft 2006 einzubeziehen, eine Zeit, in der viele Vereine ihre Stadien für das Turnier vorbereiten mussten und entsprechende Umbaumaßnahmen durchgeführt haben.

 

Für die strukturelle Kategorisierung haben wir die Stadien in verschiedene Kapazitätsgruppen unterteilt: 10.000 bis 20.000 Zuschauer (16 Vereine), 20.001 bis 40.000 (16 Vereine) und größer als 40.000 (12 Vereine). Ab dem Zeitpunkt des Um- oder Neubaus haben wir rückblickend auf die Platzierungen und den Zuschauerschnitt der letzten fünf Jahre geschaut, um zu überprüfen, wie sich die Ligazugehörigkeit und der Zuschauerschnitt vorher entwickelt haben. Als Gegenüberstellung haben wir die mittelfristigen Veränderungen über einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Um- oder Neubau in die Zukunft projiziert und die letzten fünf Jahre zur Analyse der langfristigen Entwicklung herangezogen. Alle angeführten Zahlen stammen aus der Quelle "transfermarkt.de".

 


Sportliche Entwicklung

Bei den Platzierungen haben wir folgendes Scoring verwendet, um die Ligazugehörigkeiten werten zu können: 

 


Entwicklung des Zuschauerschnitts

Bei der Analyse des Zuschauerschnitts wurde die Saison 20/21 aufgrund der Corona-Pandemie ausgenommen. Zudem wurde die Saison 21/22 bei Vereinen, bei denen ein unerklärlicher Rückgang der Zahlen verzeichnet wurde, ebenfalls nicht berücksichtigt. Zusätzlich wurde die Saison 23/24 nicht betrachtet, da der Schnitt noch zu wenig Aufschluss gibt (Stand: 04.09.2023). Ein weiterer entscheidender Aspekt der Analyse bezog sich auf die Eröffnung des Stadions. Wenn das Stadion mitten in einer Saison eröffnet wurde, konnten die Zuschauerzahlen dieser Saison nicht berücksichtigt werden, da sie keine aussagekräftigen Informationen zur Entwicklung dieser speziellen Saison liefern würden.

 


Stadionkapazität: 10.000 – 20.000 

 

Hinsichtlich der kleineren Stadien mit einer Kapazität ab 10.000 – 20.000 Zuschauern fällt auf, dass die Vereine mittelfristig eine signifikante Verbesserung erzielen können. Sie weisen zwar immer noch durchschnittlich eine Zugehörigkeit zur 3. Liga auf, jedoch mit vermehrten Aufstiegen in die oberen beiden Spielklassen. Mehr Vereine schaffen somit den Sprung in höhere Ligen und verzeichnen seltener Abstiege in die Regionalliga. Langfristig nähern sich diese Vereine jedoch wieder dem durchschnittlichen Platzierungswert von 3,0 an und erreichen nur noch eine Platzierung von 2,8. Das Niveau kann somit nicht aufrechterhalten werden, und einige Vereine erleben erneute Abstiege. 

 

Die Situation beim Zuschauerschnitt weicht nicht wesentlich davon ab. Obwohl die Vereine nach einem Um-/Neubau immer noch einen Zuwachs von etwa 2.500 Zuschauern verzeichnen können und in den letzten 5 Jahren (unter Ausschluss der Corona-Jahre) einen Rückgang von etwa 700 Zuschauern verzeichneten, bleibt immer noch ein Anstieg von etwa 1.800 bestehen.

Der geringfügige Rückgang ist wahrscheinlich auch auf die sportliche Verschlechterung zurückzuführen und deutet darauf hin, dass das beachtliche Wachstum des Schnitts bei den betreffenden Vereinen teilweise von der sportlichen Leistung abhängt. Dennoch lässt sich ein langfristiger Anstieg bis heute verzeichnen, trotz negativer sportlicher Entwicklung.

 


Stadionkapazität: 20.001 – 40.000 

Es ist bemerkenswert, die Entwicklung der Platzierungen in mittelgroßen Stadien zu verfolgen, da die Fluktuation hier deutlich geringer ist. Bei einer durchschnittlichen Ligazugehörigkeit von 2,0 vor dem Um- oder Neubau verbessern sich die Vereine nur minimal auf 1,9. In den letzten fünf Jahren haben sie sich sogar leicht verschlechtert und liegen nun bei 2,1. Einige dieser Vereine waren gezwungen, sportliche Abstiege zu verkraften, was die Verschlechterung teilweise erklärt. Dies wirft jedoch auch die Frage auf, ob der sportliche Abstieg möglicherweise mit den Stadionveränderungen in Zusammenhang steht.

 

Der Zuschauerschnitt hingegen verzeichnet in den ersten Jahren einen Anstieg von 14.688 auf 20.221 Zuschauer, was einem durchschnittlichen Zuwachs von etwa 6.000 Zuschauern entspricht. Trotz ausbleibender sportlicher Verbesserungen verzeichnen die Stadien somit einen deutlichen Anstieg der Zuschauerzahlen, und in den letzten Jahren verschlechtern sich diese Werte nur geringfügig. Diese Ergebnisse ähneln denen der kleineren Stadien und zeigen sogar, dass trotz leichter sportlicher Verschlechterungen die "neuen Stadien" erheblich mehr Zuschauer anziehen.

 


Stadionkapazität: > 40.000

In Bezug auf die Kategorie der großen Stadien ist in der kurz- und mittelfristigen Perspektive kein sportlicher Aufwärtstrend ersichtlich. Die betreffenden Vereine haben sich langfristig sogar leicht verschlechtert und erreichen nun nur noch einen Durchschnitt von 1,5. Dies könnte möglicherweise auf sportliche Abstiege einiger großer Vereine zurückzuführen sein.

 

Der Zuschauerschnitt hingegen verzeichnet eine deutliche Steigerung. Ein mittelfristiger Anstieg von etwa 11.000 Zuschauern geht mit einem langfristigen Anstieg von etwa 14.000 Zuschauern einher, was auf einen regelrechten Zuschauerboom hinweist. Trotz sportlicher Probleme haben die Stadionveränderungen somit langfristig erheblich mehr Fans in die Stadien gelockt.


Gesamtschnitt

Im Durchschnitt weisen die Teams, die im Zeitraum von 2000 bis 2023 ihre Stadien neu- oder umgebaut haben, vor den Baumaßnahmen eine durchschnittliche Ligaplatzierung von 2,2 auf. Eine kurz- bis mittelfristige sportliche Verbesserung ist in den ersten 5 Jahren zu erkennen, wobei der Durchschnitt bei 2,0 liegt. In den letzten 5 Jahren, einschließlich der aktuellen Saison, kehren die Vereine wieder zum Niveau der Jahre vor den Stadionveränderungen zurück und verzeichnen eine Platzierung von 2,2. Die sportliche Entwicklung zeigt somit auch im Gesamtschnitt keine signifikante Fluktuation.

 

Der Zuschauerschnitt verzeichnet hingegen eine deutlichere Veränderung. Vor den ergriffenen Maßnahmen wies die Gesamtheit der Vereine einen Schnitt von 17.123 auf. Durch die Umgestaltung oder Neubau von Stadien konnten sie mittelfristig etwa 6.000 zusätzliche Fans im Durchschnitt gewinnen, eine Zahl, die sich in den letzten Jahren nur geringfügig verändert hat. Der Schnitt ist maßgeblich von dem erheblichen Zuwachs in den großen Stadien beeinflusst, jedoch, wie bereits analysiert wurde, zeigt sich auch bei den kleineren und mittelgroßen Stadien eine Zunahme der Zuschauer – und dass trotz fehlender sportlicher Verbesserungen und teilweiser leichter Verschlechterungen. Natürlich können gewisse Ausreißer im sportlichen Bereich gewisse Durchschnittswerte beeinflussen, doch dies gilt sowohl für positive als auch für negative Abweichungen.


Fazit

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass der Aus- oder Neubau von Stadien sowohl mittel- als auch langfristig erhebliche Auswirkungen auf die Auslastung der Spielstätten hatte. Kleine Stadien haben geschafft, mittelfristig zusätzliche 2.500 Zuschauer anzuziehen, mittelgroße Stadien etwa 6.000 und große Stadien sogar rund 11.000. Während die Zahlen langfristig nur bei großen Stadien weiterhin anstiegen, verzeichneten die anderen Stadien lediglich einen leicht rückläufigen Trend. Es besteht somit wohl eine Korrelation zwischen Stadionbauprojekten und einer zukünftigen Steigerung des Zuschauerschnitts, sofern sich die Ligazugehörigkeit nicht drastisch verändert. 

 

Die Behauptung, dass die positive Entwicklung der Stadionauslastung eine positive Auswirkung auf die sportliche Leistung hat, ist nicht korrekt und kann widerlegt werden. Weder kurz- noch langfristig können die Vereine im Durchschnitt eine sportliche Verbesserung verzeichnen. In den ersten 5 Jahren ist lediglich eine geringfügige Steigerung erkennbar, während sich in den letzten 5 Jahren kaum etwas im Vergleich zur Ausgangssituation geändert hat. Gewiss gibt es Vereine, die diese Durchschnittswerte nach oben oder unten beeinflussen – ein Team wie Union Berlin hat beispielsweise eine außerordentliche sportliche Entwicklung erfahren. Dennoch ist keine klare Korrelation zwischen sportlichem Erfolg und dem Ausbau oder Neubau von Stadien erkennbar, und in diesem Fall kann sie sogar widerlegt werden.

 

Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen jedoch, dass trotz der Risiken, die mit der Entscheidung zur Stadionerneuerung einhergehen, eine mittel- bis langfristige Steigerung des Zuschauerschnitts durchaus realisierbar ist. Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass auch hier eine negative sportliche Entwicklung den angestrebten Zuwachs verhindern kann, insbesondere wenn diese Entwicklung drastisch ist. In einem solchen Szenario würde der gewünschte Stadion-Effekt wahrscheinlich ausbleiben. Obwohl eine Steigerung des Zuschauerschnitts einen positiven Einfluss auf das Budget eines Vereins haben kann, bleibt die Frage offen, ob die damit verbundenen Kosten gerechtfertigt sind. Für viele Vereine hatte dieser Schritt zweifellos eine immense Bedeutung für ihre zukünftige Entwicklung, jedoch nicht ausschließlich im positiven Sinne. Ein solches Projekt birgt auch das Risiko von ineffizienter Ressourcennutzung und sollte daher äußerst sorgfältig geplant und umgesetzt werden.

 

Die Frage, ob die Risiken eines Stadionumbaus oder -Neubaus gerechtfertigt sind, hängt von Verein zu Verein ab. Obwohl unsere Untersuchung darauf hinweist, dass eine Steigerung der Zuschauer zu erwarten ist, kann der Sinn eines solchen Projekts nur in einer vereinsspezifischen Analyse und Bewertung ermittelt werden.

 


In Bezug auf sämtliche Angelegenheiten im Zusammenhang mit Stadien, sei es die Steigerung der Auslastung, der Aus- und Neubau, Pachtverträge und andere Aspekte, können wir bei HORSTMANN Consulting auf eine langjährige Erfahrung und Expertise in verschiedenen Vereinsprojekten zurückblicken. Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung, um Ihre Anliegen zu besprechen und zu unterstützen. Bitte zögern Sie nicht, sich mit uns in Verbindung zu setzen!


Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch immer alle Geschlechter. 

 

07.09.2023

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